Wahlarzt, Homöopathie, Psychotherapie
Man wundert sich, wenn man so liest
Was heut schon alles Landschaft ist.
Sei´s Polititk, sei´s Konjunktur,
Sei´s Medien- oder Popkultur,
Sei´s Müllverwertung, Chirurgie,
Alles ist Landrschaft, irgendwie.
Und deshalb nimmt e4s auch nicht Wunder
Daß die Chirurgenkapazunder
So ganz verschieden gehen zu Werk,
Sind in der Landschaft einmal Berg,
Mal Tal, mal Strom, mal Baum, mal Strauch,
So operieren sie dann auch.
Typ eins ist Piezler und Pedant,
Trägt Brillen, über dessen Rand
Er langsam und bedächtig schaut,
Er braucht schon Stunden für die Haut,
Weil er, wenn er die Blutung stillt
Die Blutkörperchen einzeln killt.
Vor jedem Schritt beim präparieren,
Da zögert er und tut sinnieren:
„Soll ich mit dem Skalpell, der Scher?“
Dreht das Gekrös mal hin mal her,
Da gibt´s kein Hudeln, keine Eile,
Nun ja, gut Ding braucht auch gut Weile.
Typ zwei, konträr dazu, gelinde,
Ist Untertreiber und der Geschwinde.
Ein Schnitt, und drin ist er im Nu,
Entfernt das Übel und näht zu.
Zu einfach, will er damit sagen,
Ist das für ihn, sollte wer fragen.
Er tut in allem routiniert
Und hofft, daß man das auch goutiert.
Typ drei ist Katastrophenheini,
Schaut der in ein Abdomen eini,
Plagt ihn die wüsteste Vermutung,
Ein Tropfen wird da gleich zur Blutung,
Den Darm wähnt er gleich perforiert,
Zumindest aber doch volviert,
Ein Leukozyt ist gleich Karbunkel,
Zum Tumor wird ein Hautkarnunkel,
Ein Schorf im Gips wird zur Nekrose.
Wenn die Vermutungsdiagnose
Sich nicht bestätigt, fallen muß,
Fließt Dankbarkeit in Überfluß,
Denn wer schon würde protestieren,
Wenn Katastrophen nicht passieren?
Bestrebt, daß man ihn adorier
Ist stets der Eitle, der Typ vier.
Beim Operieren steckt er keck
Den kleinen Finger vornehm weg,
Und blickt dabei im Kreis umher,
Ob denn nicht doch noch irgendwer
Hineinsehn könnt zu dieser Pracht:
„Schau, hab ich das nicht schön gemacht?“
Fragt er, bevor für lange Zeit
Die Pracht versinkt in Dunkelheit.
Typ fünf, der stellt sich nicht so an,
Typ fünf das ist der Grobian.
Bewirft an unsterilen Stellen
Die Schwestern sogar mit Skalpellen,
Er wütet, trampelt, droht und brüllt,
Indes der Bauch mit Blut sich füllt,
Setzt alles durch mit seiner Wut,
Hält sich als einzigen für gut,
Und demonstriert mit jeder Geste:
„Ich bin der größte, bin der beste!“
Typ sechs ist fürchterlich gelehrt
Und damit das auch jeder hört
Muß ständig er beim Operieren
Rasch unterrbrechen und dozieren.
Stets hat er irgendein Zitat
Gleich einem Lexikon parat.
Bewundrung ihm entgegenraunt,
Und er genießt es, wenn man staunt.
Sollt eine Frau Chirurgin sein,
Falln mir auch wieder Typen ein:
Der Mannweibtyp, der Typ Walküre,
Und einen taufe ich: Allüre.
Den Vamp vielleicht, dann den Typ: Grete
Und noch den Typ: Ete-petete.
Und manchmal kommt´s zur Mischkulanz
Sämtlicher Typen voll und ganz.
Ihr wollt wohl wissen wo ich steh,
Mich selbst in diesen Typen seh?
Ich sag´s Euch gleich, in dem Gedicht
Erfährt Ihr´s nicht!
„Die Chirurgenlandschaft“ von Frau Dr. Inga Wißgott publiziert in: Wißgott Inga (1989): Der Arzt aus Leidenschaft – Heiter-satirische Gedichte von Inga Wißgott. Edition Quintet S. L., Palma de Malorca. ISBN: 84-923305-0-3. (Es sind noch nicht alle Exemplare vergriffen.)